Die Zukunft
der medizinischen Versorgung auf Kreuzfahrtschiffen
Zusammenfassung
Die Qualität der Kreuzfahrtmedizin wurde in einer Veröffentlichung vor
7 Jahren, speziell bei amerikanischen Schiffen, als sehr schlecht, ja
sogar als lebensgefährlich bezeichnet. Trotz zwischenzeitlicher
Verbesserungen durch zunehmendes Qualitätsmanagement, ist noch
kein zufrieden stellender Zustand erreicht. Für die Deutschen Schiffe ist
das sicherlich übertrieben, aber auch hier besteht Nachholbedarf gerade
in personeller und organisatorischer Hinsicht.
Zunehmende Spezialisierungen im Kreuzfahrtmarkt erfordern
ebensolche Spezialisierungen und Bedarfsanpassungen in der
medizinischen Versorgung, so dass in Zukunft mit einem deutlichen
Wandel der Notwendigkeiten gerechnet werden muss.
Im Vordergrund steht hierbei die Personalauswahl. „Klassische
Schiffsärzte" und „klassische Krankenschwestern- und Pfleger" sind
den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Tätigkeitsbeschreibung
enthält neben grundsätzlichen Qualifikationen auch spezielle, auf den
jeweiligen Schiffs- bzw. Passagiertyp zugeschnittene Kenntnisse.
Auch die Vorratshaltung an Medikamenten und Material geht über die
„MSN-Standards" hinaus und ist von der Passagierstruktur abhängig,
wobei bei Familienreisen ganz besonders den Kindern Rechnung
getragen werden muss.
Die zunehmende Komplexität in der medizinischen Bordversorgung
verlangt eine kompakte und spezialisierte Organisation. Diese kann
innerhalb der Gesellschaften selbst eingerichtet oder an externe
Betreiber vergeben werden. Nur so kann Überalimentierung und falsche
Personalwahl vermieden und trotz der hohen Anforderungen eine
günstige Kostenstruktur gewährleistet werden.
In der Personalwahl werden künftig Ärzte mit breiter Ausbildungsbasis
und zusätzlichen Qualifikationen gefragt sein. Zudem sollten sie im
Rahmen eines Qualitätsmanagements kontinuierliche Fortbildungen
nachweisen können.
Das Hilfspersonal wird immer weniger aus den Pflegeberufen rekrutiert
werden. Eine bessere Basis findet man in den Deutschen
Ausbildungsstrukturen zum „Rettungsassistenten".
Diese
„Grundausbildung", kombiniert mit administrativen Qualifikationen,
erfüllt deutlich besser die künftigen Anforderungen auf See.
Der Gesundheitsmarkt enthält ein riesiges Wachstumspotential. Dieses
Potential im Rahmen der bereits vorhandenen medizinischen
Versorgungsstrukturen an Bord werbewirksam auszunutzen, sollte eine
Selbstverständlichkeit sein. Das Bordhospital und das medizinische
Bordpersonal sind als „Gesundheitsanbieter" und nicht als
„Krankenversorger" gefragt. Hierbei ist nicht nur Fachwissen, sondern
auch Erfahrung gefragt. Es reicht nicht aus landgestützte Angebote
einfach eins zu eins an Bord zu übertragen. Schrothschussartig
Möglichkeiten auszuprobieren erzeugt unnötige Kosten, welche sich
durch den Einkauf von „Erfahrungen" vermeiden lassen.
Ein reibungsloser, gesundheitstechnischer- und marketingorientierter
Medizinablauf an Bord kann kostengünstig bis kostenneutral an
externe Anbieter vergeben werden. Der Aufbau einer eigenen Struktur
sollte genau gerechnet werden und wird vermutlich ausschließlich für
größere Firmenstrukturen in Frage kommen.
Aktuelle Situation:
Vor ca. 7 Jahren wurde in einer amerikanischen, medizinischen
Fachzeitschrift der Zustand der „Kreuzfahrtmedizin" als katastrophal
bezeichnet. Die Inanspruchnahme des medizinischen Dienstes auf
einem Kreuzfahrtschiff wurde als lebensgefährlich eingestuft!
Zwischenzeitlich hat sich die Situation in Folge deutlich verbesserter
und abzucheckender Regelvorgaben entschärft, ein zufrieden stellender
Zustand ist jedoch immer noch nicht erreicht. größere Schäden kommen
nur deshalb selten vor, weil die Kreuzfahrtdauer in den USA auf ca. 1
Woche beschränkt ist und die Routen immer in erreichbarer Landnähe
gelegen sind.
Für die auf deutsches Publikum ausgelegten Schiffe ist
dies sicherlich übertrieben. Dennoch muss man sich fragen, ob der
aktuelle Zustand stillschweigend hingenommen werden sollte oder ob
hier nicht ein erhebliches Verbesserungspotential schlummert, welches
sich auch im Gesamtmarketing zeitgemäß kundenbindend mobilisieren
lässt.
Als Gründe für die „amerikanische Situation" wurden folgende
Möglichkeiten dargestellt:
Aus Kostengründen und der zwangsläufig erschwerenden familiären
Trennungsproblematik finden sich für eine Tätigkeit auf einem
Kreuzfahrtschiff nur Ärzte, welchen aus den unterschiedlichsten
Gründen im normalen Medizinmarkt kein Erfolg beschieden ist. Als
Ursache hierfür können ethnische Gründe, mangelnde fachliche
Kompetenz, soziale Unverträglichkeit aber auch längere
Berufsabstinenz z.B. bei berenteten Ärzten, angenommen werden.
Mit anderen Worten: Es ist außerordentlich schwierig, kompetente und
erfolgreiche Ärzte zu finden, welche darüber hinaus über ausreichende
zeitliche Ressourcen verfügen, um Dienst auf einem Kreuzfahrtschiff zu
tun.
Auf „deutschen Schiffen" wird das Ärzteproblem unterschiedlich
angegangen.
Zum Teil werden von den Reedereien ausländische Ärzte beschäftigt.
Diese größtenteils osteuropäischen Ärzte bringen z.T. gute
Qualifikationen mit. Die Einkommenssituation ist für sie
außerordentlich attraktiv. Häufig bestehen jedoch erhebliche
Sprachprobleme. Zudem werden während der längerfristigen Tätigkeit
keinerlei Fortbildungsmöglichkeiten mehr wahrgenommen. Bei einer
Halbwertszeit des medizinischen Wissens von derzeit drei Jahren kann
sich dies schon nach kurzer Zeit negativ bemerkbar machen.
Alternativ werden auch kurzfristige Verträge von 3-6 Monaten
angeboten. In solchen Fällen kommen berentete Ärzte, Ärzte welche
die Übergangszeit zwischen 2 Tätigkeiten nutzen oder „Aussteiger" in
Frage. Es liegt auf der Hand, dass sich nur in Einzelfällen ein
„erfolgreicher Arzt" für eine entsprechende Tätigkeit freimachen kann.
Eine weitere Möglichkeit bietet sich durch das Angebot „Urlaub gegen
Tätigkeit". Hierbei finden sich eher kompetente und hochqualifizierte
Ärzte. Die reine medizinische Versorgung ist bei der entsprechenden
Fachauswahl in den meisten Fällen gewährleistet. Eine
marketingstrategische Motivation fehlt jedoch. Der Arzt möchte in
erster Linie seinen Urlaub auf dem Schiff verbringen und weder ein
zusätzliches „CID-Engagement*" noch eine zeitaufwändige
Marketingumsetzung erbringen.
Zukünftige Situation:
Innerhalb des Kreuzfahrtmarktes finden wir immer mehr
„Spezialisierungen". Während einerseits sportlich und freizeitlich
dominierte Club-Reisen boomen, findet sich im Bereich klassischer
„Kreuzfahrten" eine Nische, welche eher von älterem Klientel
wahrgenommen wird. Hinzu kommen Fahrten auf den neuen
Kreuzfahrtschiffgenerationen, bei welchen das Schiff selbst den Urlaub
bestimmt, die Länder und Häfen immer mehr in den Hintergrund treten.
Die Zunahme der Bettenzahl auf See bringt auch einen Preisverfall mit
sich, so dass Kreuzfahrten teilweise schon günstiger angeboten werden,
als klassische landgestützte Pauschalurlaube. In Folge dessen finden wir
immer mehr Familien mit Kindern an Bord.
Dem muss und sollte auch in der ärztlichen Versorgung an Bord
Rechnung getragen werden!
Entsprechend den Publikumsanforderungen muss auch der Arzt in
zunehmendem Maß zusätzliche Qualifikationen und Spezialisierungen
vorweisen können.
Auf Clubschiffen werden vermehrt sportmedizinische und
orthopädische Kenntnisse abgerufen.
Die Familienkreuzfahrten fordern
zusätzliche Kenntnisse in Kinderheilkunde - gerade Eltern sind hier sehr
kritisch -
Klassische Kreuzfahrten benötigen internistische und orthopädische
Zusatzkenntnisse. Speziell die Entgleisung chronischer Erkrankungen
führen nicht selten zu schwerwiegenden Komplikationen. Diese nehmen
mit der Länge der Reisedauer deutlich zu.
Aber nicht nur die ärztliche Qualifikation ist gefragt, es besteht auch die
Notwendigkeit der Anpassung des Medikamentenbestandes.
Es reicht
nicht nur aus sich an der teilweise veralteten „MSN-Liste" zu
orientieren, je nach Klientel müssen zusätzlich Medikamente speziell
für Kinder ebenso wie auch für „Chroniker" mitgeführt werden.
Überlässt man die Vorratshaltung einzelnen Ärzten oder Apotheken,
schießen die Bestände unnötig in die Höhe. Lagerplatz wird vergeudet
und Kapital gebunden.
Der Überfluss an „Unbenötigten" behindert die Materialverwaltung, so
dass man den Behördenanforderungen immer schlechter gerecht
werden kann, und sich dem Risiko hoher Strafzahlungen aussetzt.
Auch das ärztliche Hilfspersonal ist einem Wandel ausgesetzt. Bislang
wurden ausschließlich Krankenschwestern- oder Pfleger eingesetzt.
Dabei wird nicht bedacht, dass eine ausschließliche Ausbildung im
Pflegebereich überhaupt keinen Vorteil bringt.
An Bord gibt es
natürlich Krankenbetten. Diese werden selten mit pflegebedürftigen
Patienten belegt. Sie dienen ausschließlich der Überwachung und
intensivmedizinischer Betreuung und Stabilisierung, bis der Passagier in
das nächste medizinische Kompetenzzentrum an Land ausgeschifft
werden kann. Benötigt werden also bestenfalls Intensivpflegekräfte.
Schwestern und Pfleger ohne eine intensiv- und oder
notfallmedizinische
Ausbildung sind an Bord fehl am Platz!
Der größte Teil der medizinischen Hilfstätigkeit obliegt den
administrativen Aufgaben: Elektronischer Karteiführung, Abrechnung,
elektronischer Medikamentenverwaltung, Vorbereitung und Erstellung
von behördlich geforderten Listen, Überwachung der Bordhygiene
zusammen mit dem Arzt und der Schiffsleitung.
Hervorragende EDV-Kenntnisse, Organisationstalent und ein
pedantisches Verwaltungstalent, werden neben den medizinischen
Grundlagen gefordert.
Solch ein breites Kenntnisspektrum muss über viele Jahre erarbeitet
werden.
Letztlich sollte sich dies aber auch in der Rangstruktur niederschlagen.
Personal mit dieser Ausbildung gehören in den mittleren Offiziersrang!
Es hat sich gezeigt, dass ausgebildete Rettungsassistenten mit den
zusätzlich geforderten administrativen Kenntnissen den Anforderungen
besser gerecht wurden, als klassisches Pflegepersonal.
Hier wird in der Zukunft ein Umdenken schon bei der
Personalausschreibung gefordert sein.
Zukunftsaussichten und Lösung:
Ebenso wie z.B. das Catering, die Shops und andere Bereiche an
externe Betreiber ausgegliedert werden, verlangt die zunehmende
Komplexität in der medizinischen Bordversorgung ebenfalls eine
kompakte und spezialisierte Organisation. Diese kann innerhalb der
Gesellschaften selbst eingerichtet oder in gleicher Weise an externe
Betreiber vergeben werden.
Entscheidend für einen reibungslosen Ablauf ist hierbei unbedingt die
„komplette Betreuung". Werden nur Personalverwaltung oder
Materialverwaltung oder andere Teilaspekte ausgegliedert, wird das
Chaos zur Norm.
Da dieser sensible Bereich vom Hotelmanagement
über die Schiffsführung bis zur externen legislativen Überwachung
reicht und ohne dessen korrektes Funktionieren der Schiffsbetrieb
grundsätzlich nicht möglich ist, muss alles in einer einzigen
Organisationsstruktur verwaltet werden.
Ob dies firmenintern- oder extern stattfindet, ist letztlich eine reine
Kostenrechnung. Bis zu einer mittleren Firmengröße ist eine externe
Vergabe in jedem Fall kostengünstiger.
Als gutes Beispiel kann die Auslagerung des Hospitalbereiches einer
Deutschen Reisegesellschaft**, ebenso wie die Erfahrungen einer
Englischen Holding*** oder einer Griechischen Reederei****
angeführt werden.
Hierbei wurde das Hospital mit allen seinen
Funktionen einem externen Betreiber (Konzessionär) übergeben,
welcher die o. g. personellen und verwaltungstechnischen
„Grundausstattungen" gewährleisten konnte.
Ein 6-jähriger Erfahrungszeitraum lässt ein positives Ergebnis
statuieren.
Bordmedizin als Marketinginstrument:
„Gesundheit" als Dienstleistung ist eines der am Stärksten wachsenden
Märkte. Die Nachfrage weltweit steigt. Dies hat auch schon auf den
Kreuzfahrtmarkt übergegriffen. Zunehmende Nachfragen vor den
Reisebuchungen nach speziellen Angeboten oder
Leistungsmöglichkeiten an Bord bestätigen dies. Die medizinische
Versorgung wird gerade auf klassischen Kreuzfahrten zum
Buchungsargument.
Reine „Gesundheitskreuzfahrten" werden sogar
schon von den Krankenkassen beworben. Dialysebetreute Reisen
werden erfolgreich durchgeführt.
Man darf sich jedoch nicht der Illusion hingeben, dass die Reisen
ausschließlich über ein medizinisches Angebot verkauft werden können.
Hierfür besteht keine Nachfrage, da solche Angebote landgestützt
erheblich besser umgesetzt werden können. - Also ästhetische
Chirurgie, Spezial-Wellness etc. müssen leider als Werbegag abgetan
werden. -
Im Vordergrund steht die Reise, das Bordleben, das Schiff! Alle
weiteren medizinischen Angebote sind als zusätzliches, gerne
angenommenes Werbeinstrument zu sehen.
Die medizinisch - fachliche Betreuung beim Bordsport, die medizinisch-
fachliche Begleitung auf speziellen Landausflügen, die ansprechbare
Präsenz des medizinischen Personals inmitten der Passagiere. Dies alles
wird sehr gerne angenommen und weiter getragen. Hieraus können sich
dann zusätzliche therapeutische Angebote entwickeln.
Voraussetzungen hierfür sind einmal die Bereitschaft und Fähigkeit des
Betreibers über die grundversorgende Medizin hinaus, neue
„Gesundheitskonzepte" zu entwickeln und auch offensiv anzubieten,
aber auch die Bereitschaft, sich in das marketingpolitische
Gesamtkonzept einbinden zu lassen und es ebenso offensiv umzusetzen.
Das Hospital wird aus seinem bisherigen versteckten
Dornröschendasein herausgeholt und über die normale Notwendigkeit
hinaus mit seinen Gesundheitsdienstleistungen dargestellt. Nicht mehr
die Hilfe und Heilung im Krankheitsfall wird angeboten, sondern
Gesundheit und Vertrauen in die bestehende Gesundheitseinrichtung
gefördert. Nur so kann man dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein
der Kunden gerecht werden und auch unsichere, gesundheitskritische
und ängstliche Kunden hinzugewinnen.
** n mit der „MS-Astoria", MS-Astor
*** Delphin-Renaissance-Holding
**** Global Maritime Service